Siedefleisch

Ab in den Kochtopf

Rindfleisch zum Sieden besteht aus weit mehr als Tafelspitz & Co

Rindfleisch im gekochten Zustand ist in Österreich Bestandteil der Haute Cuisine. Wer kennt nicht die Klassiker wie Tafel,- Kavalier- oder Kruspelspitz? Das Rind hat aber jede Menge weiterer edler Teile zu bieten, die sich hervorragend für den Kochtopf eignen.

Wem rinnt beim Gedanken an einen köstlichen Tafelspitz mit Röstkartoffeln, Schnittlauchsauce und Apfelkren nicht das Wasser im Mund zusammen? Einer Mehrzahl der heimischen Feinschmecker mit Sicherheit. Und das hat Tradition. Ein ganz wesentlicher Bestandteil der klassischen österreichischen Küche ist nun einmal die Zubereitung von Rindfleisch durch langsames Garen in einer Flüssigkeit – sprich Sieden. Die so genannte Siedefleisch-Küche entwickelte sich erst in der Monarchie zur absoluten Blüte und ist bis heute fixer Bestandteil der österreichischen Esskultur. Als Suppen- oder Siedefleisch bezeichnet man die verschiedenen Stücke vom Rind, die zur Zubereitung einer Suppe  verwendet werden können. Es handelt sich dabei vorwiegend um langfaseriges Fleisch mit einem hohen Anteil an Bindegewebe, Fett und Sehnen, teilweise auch Knochen. Dadurch enthält Suppenfleisch einen hohen Anteil an Aromen und Gelatine.

Die bekanntsten Stücke sind: Tafelspitz und Tafelstück, Kavaliersspitz, Kruspelspitz und Beinfleisch. Viele wissen aber nicht, dass sich weitere Teilstücke des Rindes hervorragend zum Kochen eignen, die teilweise wesentlich günstiger im Einkauf sind, ohne Abstriche bei der Qualität machen zu müssen: Weißes Scherzl, Hüferscherzl und Hüferschwanzl, Dicke Schulter, Mageres und Fettes Meisel, Hinteres Ausgelöstes, Schulterscherzel, Rieddeckel, Brustkern sowie Dünnes und Mittleres Kügerl, auch Platte genannt.

Wegen des für langfaseriges Fleisch typischen, hohen Gehalts an Bindegewebe und Sehnen muss Suppenfleisch für längere Zeit bei mäßiger Temperatur – ca. 85 Grad – gekocht werden – als Faustregel gelten zwei Stunden pro Kilogramm. Dabei gerinnt zuerst das Eiweiß der Muskelfasern, die Gelatine aus dem Kollagen des Bindegewebes und der Sehnen wird langsamer gelöst. Deshalb wird das Fleisch zunächst zäh, anschließend mürbe, und beginnt bei zu langem Kochen zu zerfallen. Gleichzeitig werden Aromen und Fett an das Wasser abgegeben, wobei das Fett als Trägerstoff dient.

Wird Suppenfleisch mit kaltem, nicht gesalzenem Wasser aufgesetzt, entsteht eine besonders kräftige Brühe, während das Fleisch seinen Geschmack weitgehend verliert. Soll das Fleisch dagegen weiterverwendet werden, empfiehlt es sich, das Fleischstück in kochendes, gesalzenes Wasser zu geben, wodurch das Fleisch aromatischer bleibt, die Suppe aber weniger an Geschmack gewinnt.

Es ist deshalb üblich, zuerst eine Suppe aus einfachem Fleisch oder Knochen herzustellen, und das zur Weiterverwendung bestimmte, höherwertige Fleisch anschließend in der Suppe zu garen. Gilt die volle Aufmerksamkeit jedoch der Suppe und die Qualität des Fleisches kommt erst an zweiter Stelle, dann stellt man das Fleisch in kaltem Wasser zu, um ein besseres Auslaugen zu erzielen.

Klassiker und Nicht-Klassiker

Hinteres: Die Siedeklassiker aus dem Vorderviertel des Rindes, die sich ausschließlich zum Kochen eignen,  sind der Kruspelspitz, der Kavalierspitz, das Beinfleisch (auch Zwerchspitz genannt) und der Brustkern. In der in Österreich üblichen Teilebezeichnung der Rinder auch als Bestandteile des so genannten „Hinteren“ aufgezählt.

Der Kruspelspitz liegt unter der Schulter und ist von einem weichen Kruspel durchzogen.  Das Fleisch ist grobfasrig, saftig und gut aufquellend, zum Sieden geeignet.

Der Kavalierspitz liegt an der Unterseite des Schulterblattes und ist ein besonders saftiger Fleischteil.

Das Beinfleisch ist der vordere Teil der Platte mit Rippe. Dieses Stück vom Rind teilt man mit den Knochen quer in 10 cm breite Streifen.

Der Brustkern bietet ein wohlschmeckendes, grobfasriges Fleisch.

 

Gustostücke vom Vorderviertel: Unter diesem Begriff versammeln sich Teile wie die Dicke Schulter, das Magere und Fette Meisel, das Schulterscherzel, das Hintere Ausgelöste und der Rieddeckel.

Die Dicke Schulter ist der Hauptteil der Schulter und wunderbar zum Kochen geeignet. Ein festes und saftiges, ein wenig grobfasriges Fleisch, das im Verhältnis zu den traditionellen Gustostückerln wesentlich günstiger ist.

Das Schulterscherzel ist ein besonders saftiges, von einer gallertartigen Sehne durchzogenes Fleisch, die diesem Teil das besondere Aroma gibt. Es eignet sich auch zum Dünsten.
Das Magere Meisel ist der vordere Schulterblattmuskel.

Das fette Meisel überdeckt das magere Meisel und ist ein fettes grobfasriges, aber sehr saftiges Suppenfleisch.

Das Hintere Ausgelöste ist ein sehr saftiges und mit Bindegewebe durchzogenes Stück mit unterschiedlicher Faserung. Das bedeutet, dass nur in diesem Stück viele geschmackliche Facetten auftreten und nahezu jeder Biss ein wenig anders schmeckt.

 

Als Gustostücke vom Knöpfel bezeichnet man in Österreich verschiedene Teilstücke des Rinder-Hinterviertels: Die wohl bekannteste und in aller Welt angesehene Spezialität des Siedefleisches ist der Tafelspitz. Weitere, besonders als Siedefleisch geeignete Teile sind das Tafelstück, das Weiße Scherzel, das Hüferschwanzl und Hüferscherzl.

Das Fleisch des Tafelspitzes ist sehr feinfasrig, mit aromatischer Fettabdeckung und wird am seitlichen Knorpel vom Tafelstück abgetrennt.

Das Tafelstück schließt an den Tafelspitz an, ist grobfasriger als dieser, eignet sich hervorragend zum Sieden und zum Dünsten für Rouladen und Rindschnitzel.

Der längliche, dreieckige Muskel des Hüferschwanzels ist sehr saftig und im Ganzen hervorragend zum Sieden und Dünsten geeignet.

Das Hüferscherzl schließt an das Beiried und eignet sich für alle Garmethoden, gut abgelegen auch als Roastbeef.

Das Weiße Scherzl ist zusätzlich hervorragend als Rinderbraten geeignet, sollte aber gespickt werden, um das Austrocknen zu vermeiden.

Weitere Teile, die sich sehr gut zum Kochen eignen:

Fledermaus (Schalblattl), ein kleines, sehr saftiges und etwas fettes Stück, das vom Kreuzbein abgelöst wird. Wird häufig nach dem Kochen mit Krenkruste gratiniert – eine wahre Delikatesse.

Die Platte ist mit den Rippen gekocht als Beinfleisch bekannt und ein überaus stark durchwachsen

Übrigens, der Vordere und Hintere Wadschinken sind eigentlich Klassiker der Gulaschzubereitung, als saftiges und mit kräftigen Sehnen durchwachsenes Fleisch aber ebenfalls sehr gut zum Kochen geeignet.