Kalbfleisch

Edler Witwentröster

Kalbfleisch steht seit jeher im Ruf ein wenig vornehmer als andere Fleischsorten zu sein, der Nierenbraten soll sogar über den Verlust geliebter Menschen hinweghelfen

Schon seit Jahrhunderten schätzen die Menschen die Vorzüge von Kalbfleisch. Seit jeher von einer preisbedingten Aura der Vornehmheit umgeben, genoss und genießt das Fleisch junger Rinder den Ruf des Besonderen. Kochbücher rühmen seinen unvergleichlichen  Geschmack, das Wiener Appetit-Lexikon von 1894 spricht dem Kalbsnierenbraten gar die erstaunliche Eigenschaft zu, die Hinterbliebenen von soeben Verstorbenen auf Grund seiner überragenden Formvollendetheit und seiner aromatischen Brillanz trösten zu können. Nicht zuletzt stammt auch des Österreichers liebste Fleischspeis ursprünglich vom Kalb: das Wiener Schnitzel.

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Kalbfleisch erfüllt wie kaum eine andere Fleischsorte die Anforderungen einer modernen, gesunden Ernährung. Unvergleichlich zart, mild und mager ist es leider vom Speiseplan vieler Menschen verschwunden. Vor allem Pute, Hendl & Co. haben dem „Köbanan“, wie es der Wiener liebevoll umgangssprachlich nennt, den Rang eindeutig abgelaufen. Die Vorzüge von Kalbfleisch resultieren daraus, dass beim Kalb das Bindegewebe (z. B. Sehnen) noch weich ist und die Muskeln noch nicht voll entwickelt.

Kalbfleisch ist für alle Garmethoden vom Kochen, Dünsten, Backen, Braundünsten bis hin zum Braten und Kurzbraten hervorragend geeignet. Sein hoher Gehalt an biologisch hochwertigem Eiweiß, Vitaminen der B- und D-Gruppe und Eisen macht es zu einem idealen Nahrungsmittel, das auch in der diätetischen  Küche unverzichtbar ist.

Seine Farbskala reicht von Weiß über Hellrosa bis zu einem zarten Rot. Die Farbe hat nichts mit der Qualität zu tun, sondern ergibt sich ausschließlich aus der Ernährung des Tieres. Vollmilchkälber werden wie der Name sagt ausschließlich mit Milch ernährt und üblicherweise in einem Alter von vier bis sechs Wochen mit einem Gewicht von 70 bis 80 kg geschlachtet. Das Fleisch ist zart, weiß bis hellrosa und wasserhältiger.

Mastkälber werden mit Milch und Eiweißfutter gemästet und mit einem Alter von zwölf bis 16 Wochen geschlachtet. Sie wiegen zwischen 120 und 150 kg und ihr Fleisch ist rosa bis hellrot, saftig, zart und fester als das Fleisch von Vollmilchkälbern. Außerdem ist das Fleisch gleichmäßig mit einer weißen, kernigen Fettschicht bedeckt.

Im Gegensatz zum Rindfleisch muss Kalbfleisch nicht mehr lange reifen, ein bis drei Tage nach der Schlachtung ist es bereits zum Verzehr geeignet.

Das Kalb lässt sich grob in Vorder- und Hinterviertel unterteilen. Das Vorderviertel besteht aus Kalbskopf, Hals, Schulter und Brust.

Der Kalbskopf stellt gepresst eine klassische heimische Spezialität dar, die leider sehr selten geworden ist. Meistens wird er gebacken zubereitet.

Der Hals (Nacken) bildet den kopfseitigen Abschluss des Karrees und ist auf Grund seiner Marmorierung besonders aromatisch und saftig. Hervorragend für Gulasch, Ragout oder Eingemachtes geeignet

Die Schulter lässt sich in die „Dicke Schulter“ und die „Dünne Schulter“ unterteilen. Zum Braundünsten, für Ragouts, Gulasch und Eintöpfe bestens geeignet, von Fett und Sehnen befreit auch als Schnitzelfleisch sehr gut zu verwenden.

Die Brust wird vorwiegend im Stück als Braten glaciert oder gedünstet. Ausgelöst eignet sie sich zum Rolle und Füllen, für Ragouts und Eingemachtes.

Das Hinterviertel besteht aus Schlegel, Rücken, Karree und Nierenbraten, wobei sich der Schlegel in Stelze, Kaiserteil, Nuss, Schlussbraten und Fricandeau unterteilt.

Die vordere und hintere Stelze bieten sehr mageres und trockenes Fleisch, das sich gut portionieren lässt. Bestens zum Schmoren (gespickt), für Schnitzel, Rouladen und zum Kochen geeignet. Ausgelöst versetzt sie als Kalbsvögerl uns Genießer in Verzückung.

Der Kaiserteil, auch Schale genannt, ist durch Form und Faserung bedingt das wohl bekannteste Teilstück für die Herstellung von Kalbsschnitzeln, ob Natur oder als Wiener Schnitzel. Im Ganzen ein herrliches Bratenstück, das gespickt werden sollte.

Die Nuss ist ein besonders zartes, saftiges Teilstück, das sowohl im Ganzen als Braten, aber auch als Schnitzel, Steaks, Medaillons, Fondues und Ragout zum Einsatz kommen kann.

Der Schlussbraten ist ein saftiges Hüftstück, das sich sowohl als Braten als auch für Schnitzel verwenden lässt.

Das Fricandeau wird entweder im Ganzen gespickt und gebraten oder portioniert für Steak, Schnitzel und Ragouts eingesetzt.

Das so genannte „Wammerl“ wird wie gewachsen oder ausgelöst angeboten. Das vordere Stück wird als „Brüstl“ bezeichnet, das Mittelstück ist das klassische Bauchfleisch und das hintere Ende das eigentliche „Wammerl“. Ob als saftiger Braten im Ganzen, in Scheiben geschnitten zum Braten oder Grillen oder gewürfelt für den Eintopf, die Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig.

Das Karree wird mit oder ohne Knochen angeboten und ist ein tolles Bratenstück. Aus dem Karree werden zarte Koteletts ausgelöst, feine Steaks geschnitten, die kurz gebraten, gegrillt oder gebacken werden. Eine besondere Spezialität bietet der Nierenbraten mit Filets und eingewachsenem Nierenstock.

Die beiden Filets im Rücken bestechen durch ihre Mürbheit und werden bevorzugt für Steaks und Medaillons verwendet, aber auch für Geschnetzeltes.

Sehr beliebt beim Kalb sind auch die Innereien, die besonders Vitaminhältig sind. Angeführt vom Bries, das vor allem gebacken, aber auch pochiert Liebhaber findet.

Kalbshirn wird bevorzugt mit Ei zubereitet, aber auch als Suppe oder gebacken.

Die Zunge wird gepökelt oder gekocht als Vorspeise oder kalten Buffets gereicht.

Die Lunge wird gekocht im Beuschel serviert.

Die Leber wird geröstet, gebacken oder gegrillt von vielen Genießern sehr geschätzt.

Die Milz findet ausgeschabt in Milzschnitten ihre Destination.

Das Herz wird gerne geschmort und gespickt in Rahmsauce serviert, bei besonders jungen Tieren kann es auch a la Minute zubereitet werden.